Montag, 6. April 2015

Widerstand im Brüsseler Kiez

Liebe Nachbarn 
Liebe Nachbarin,


Beim Gang durch den Brüsseler Kiez trifft man u.a. auch auf das Antikriegsmuseum in der Brüsseler Strasse. Dort werden einem u.a. Eindrücke aus der Zeit des Weltkriegs in sehr anschaulicher und erlebbarer Weise nahegebracht, so dass der Verfasser sich einmal Gedanken darüber gemacht hat, wo es in unserem Kiez Widerstand gegen die damals Herrschenden gegeben hat, denen wir diesen Krieg und seine drastischen Folgen ja letztlich verdanken.

Dabei sind wir auf die Bücher des Hans-Rainer Sandvoss gestossen, der den Widerstand in Wedding und Gesundbrunnen (und danach auch in alle anderen Berliner Bezirken) im Rahmen eines Forschungsprojekts aufgearbeitet und in einer Schriftenreihe detailliert geschildert hat.

Daraus haben wir die hier erforschten Stätten und Namen aus unserem Kiez entnommen und wollen Euch diese einmal näherbringen.




Widerstand im Brüsseler Kiez1933-1945
(Adressen und Namen sind dem Buch von Heinz-Rainer Sandvoß "Widerstand in Wedding und Gesundbrunnen", überarbeitetes Manuskript von 2002 und Erstfassung aus 1983 entnommen). Wir zeigen damit, dass auch in unserem Kiez Menschen im Widerstand wirkten.
Der Brüsseler Kiez ist Bestandteil des alten Arbeiterbezirks Wedding. Politisch waren die Arbeiterparteien KPD und SPD hier deutlich in der Mehrheit. Zusammen erhielten sie 1932 bei beiden Reichstagswahlen über 70 % der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rd. 82 %.
Den Nazis gelang es nach 33 nur allmählich, durch Terror im Bezirk Rückhalt zu gewinnen.

Die nach Adressen geordnete Aufstellung würdigt die Mensch unseres Kiezes und ihren Kampf gegen den Terror.

Brüsseler Str. 4
Karl Steinweg, Mitglied der SPD und des Reichsbanners, wirkte im Widerstand, traf sich mit Gleichgesinnten oft im Lokal des Albert Voß, Antwerpener Str. 6, wo Geld für Verfolgte gesammelt wurde und illegale Flugblätter zur Verteilung kamen.

Brüsseler Str. 9
Frida Hanke, Arbeiterin, KPD, 1937 zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Brüsseler Str. 20
Kraftfahrer Geuerlich, 1937 zu 2 1/2 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Brüsseler Str. 26
Erich Honecker, KPD-Funktionär, wurde hier 1935 festgenommen und nach U-Haft 1937 zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Brüsseler Str. 28
Franz Schnell, Gewerkschafter, Verbands-Sekretär des Deutschen Metall-Arbeiter-Verbandes, betrieb ein Zigarettengeschäft in Kreuzberg, Verteilerpunkt für illegales Schriftmaterial und Treffpunkt für Regimegegner. 1935 festgenommen, freigelassen, blieb in U-Haft und verstarb 1937 infolge der Haftbedingungen und fehlender ärztlicher Versorgung.

Brüsseler Str. 28a
Agnes Laukant, SPD, aus ihrem Beruf als Fürsorgerin 1933 aus politischen Gründen entlassen. Sie unterstützte Verfolgte, bot Unterschlupf und leistete aktiv Fluchthilfe.

In der Brüsseler Str. wuchs Theo Thiele auf, Mitglied der SAJ (Jugendorganisation der SPD) im Schuhmacherbetrieb seines Vaters. Er starb 1944 in einer Strafeinheit der Wehrmacht.

Antwerpener Str. 4
Karl Osten, Widerstandsgruppe "Neu Beginnen", konnte 1935 ins Ausland emigrieren.

Antwerpener Str. 6
Albert Voß, SPD, betrieb hier mit seiner Frau Klara ein Parteilokal der SPD, welches auch nach 1933 als Treffpunkt von Sozialdemokraten und Gewerkschaftern diente. Hier war u.a. Auslieferungsstätte für illegale Schriften, die heimlich im Wedding verteilt wurden. Albert Voß wurde 1933 verhaftet, kam ins KZ Oranienburg, verriet dort niemanden und rettete so vielen das Leben. Nach seiner Freilassung 1936 wählte man für illegale Zusammenkünfte Privatwohnungen von Gesinnungsgenossen. Im Lokal trafen sich weiterhin Sozialdemokraten als Sparverein getarnt. Heute befindet sich an dieser Stelle das Lokal "Antwerpener Krug".
Ostender Str. 9
Emil Barteleit, Gewerkschafter im Deutschen Metall-Arbeiter-Verein, hielt mit Kollegen ein heimliches Verbindungsnetz zu regimekritischen Menschen in Berliner Groß- und Mittelbetrieben.

Lütticher Str. 4
Hier befand sich eine "weltliche" Schule", die 1933 von den Nazis aufgelöst wurde. Bei dieser Schulart -eingeführt durch die Berliner Schulverwaltung- war der Religionsunterricht durch das Fach Lebenskunde ersetzt. Prügelstrafen durch Lehrer gab es nicht mehr.

Lütticher Str. 5
Frau H. Bocksch wurde 1937 in einem Prozess gegen zahlreiche Mitglieder/Unterstützer der KPD und der Roten Hilfe zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Genter Str.
Hinweis: die Genter Str. hieß von 1933 - 1974 Fritz-Schulz-Str. nach einem Nazi-Aktivisten.

Genter Str. 6 (heute Nr. 61)
Arno Braun, SPD, Schlosser, 1933n als Betriebsrat entlassen, nach ndem SPD-Verbot aktiv in der Illegalität. Wirkte mit bei Treffen, verteilte heimlich Flugblätter.

Genter Str. 8 (Ecke Luxemburger)
Druckerei Rudolf Meier, KPD, druckte für KPD und "Rote Hilfe", wirkte mit Gleichgesinnten als Widerstandsgruppe V., so waren die Flugblätter unterzeichnet. Überlebte das Kriegsende und betrieb die Druckerei weiter.

Genter Str. 31
Werner Sellentin, Maurer, gehörte der Jugendorganisation der KPD an. Wirkte aktiv in der Widerstandsgruppe Wasserkante und wurde 1934 zu 2 1/2 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Genter Str. 34
Erich Lübbe, ehem. SPD-Reichstagsabgeordneter und Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Siemens, wohnte dort unter Polizeiaufsicht bis 1936, kam anschließend ins KZ Sachsenhausen und überlebte.

Genter Str. 41
Treffpunkt der Gruppe "Neu Beginnen" in der Wohnung von Theo Thiele (nicht identisch mit T.Thiele aus der Brüsseler Str.) kam 1936 mit anderen Mitstreitern ins Gefängnis. Nach ihrer Entlassung wirkten sie in den Betrieben nach Kräften weiter.

Seestr./Ecke Antwerpener Str.
Evang. Kapernaum-Gemeinde, von 6 dort tätigen Pfarrern gehörten Karl Berlich, Friedrich Lahde und bis 1935 Helmut Petzold der Bekennenden Kirche an, einer Oppositionsbewegung evang. Christen gegen die Versuche der "Gleichschaltung" der Kirche über die sogenannten "Deutschen Christen". Vikarin Ilse Kersten berichtete in Bibelstunden in ihrer Wohnung von KZ und Inhaftierung jüdischer Mitbürger.

Fazit: Diese Zusammenfassung zeit vielfältige Bemühungen, dem unmenschlichen System in unserem Kiez Widerstand entgegenzusetzen. Das Antikriegsmuseum in der Brüsseler Str. gibt weitere wertvolle und anschauliche Informationen über den Krieg und seine Folgen.

Ein solches System darf es nie mehr geben !!

3 Kommentare:

  1. interessant, dass Erich Honecker mal in der Brüsseler gewohnt hat.

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  2. Hat in dieser Wohnung in seiner Zeit als hauptamtlicher Funktionär der KPD gewohnt.

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  3. Danke für den Interessanten Text! Seit über zwei Jahren habe ich es nicht geschafft - aber 2015 ist der Besuch im Anti-Kriegsmuseum endlich dran.

    Widerstand gibt es übrigens auch heute noch von Leuten, wie mir aus dem Brüsseler Kiez. Meine Erfahrungen mit der Bundeswehr in Afghanistan politisierten mich und machten mich 2013 zum Berliner.

    Seither stemme ich mich gegen Überwachung durch Geheimdienste und gegen die Kriegslügen der Bundeswehr.



    http://wir-dienten-deutschland.de/kleine-anfragen/

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